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Durch das Jahr mit Wolfgang Golz – August

Im grünen Gras das rote Reh
anmutig äst und lauscht,
was aus der Fern', was in der Näh',
was auf dem Wege rauscht.
Es sieht mich groß und fragend an,
wie sollt es mir auch trau 'n?
Wie elegant es fliehen kann!
fliegt über Bach und Zaun.

Am Rehmoor

Der Stand liegt auf der Scheide, halb auf dem Sand der Geest, halb auf dem Torf des Moores.

Wiesen und Moorstücke wechseln einander in bunter Reihenfolge ab. Auf einem der Moorteile habe ich die Völker unter alten Krüppelkiefern untergebracht. Trotz des moorigen Untergrundes kann ich bis dicht an den Stand heranfahren.

Die alten Torfstiche sind inzwischen zugewachsen. Hier und dort lugt noch das Wasser schwarz und trugvoll hervor. Weiter mooreinwärts brüten im Frühjahr Wildenten und Lachmöven, wiegt sich jetzt flauschige Wollgrassaat auf zarten Stengeln. „Das Moorgras blüht“, sagt fälschlicherweise der Volksmund dazu. Aber die Blüten des Moorgrases sind gelb. Dicht über der noch wintergilben Pflanze ausgebreitet, ähneln sie kleinen aufgeblühten Weidenkätzchen. Die starken, bulligen Wurzelstöcke des Moorgrases speichern die für eine so frühe Blüte im März/April nötige Energie.

Der Platz unter den Kiefern, von dichtem Birkenbusch umgeben, ist einer meiner Lieblingsstände. In Standnähe habe ich die Birken herausgeschnitten und dadurch den Faulbaumbüschen einen bevorzugten Lebensraum erhalten. So wächst der Stand nicht völlig zu, und den Völkern bleibt ein guter Anflug gesichert.

Unser menschliches Empfinden nimmt vieles nicht wahr, was das Leben der Bienenvölker beeinflusst und steuert. Der anheimelnde Stand, den wir gern besuchen, und sei es nur, um zu sehen, wie die Bienen fliegen oder ob es honigt und den Besucher immer wieder begeistert, die Bienenvölker reagieren auf ihm ganz anders. Sie möchten hier nicht bleiben. Obgleich er anderen Ständen ähnelt und sich von ihnen kaum in der Trachtgrundlage unterscheidet, so hält es doch die Völker nicht gern auf diesem Platz. Das immer wieder, nach meinem Dafürhalten oft grundlose Auftreten der Schwarmstimmung auf diesem Stand, lässt keinen anderen Schluß übrig. Durch die Randsiedlungen des Dorfes mit den dazugehörigen Gärten im Rücken, Wiesen und Weiden zur einen, das Moor zur anderen Seite, ist für die Völker eine gute Entwicklung gesichert. Obst, und besonders Löwenzahn gibt es hier, nachfolgend Faulbaum und im Juli Glockenheide.

Nach wie vor ist auch die Besenheide vertreten. Aber es ist wohl 15 Jahre her, daß ich aus der Besenheide (Calluna vulgaris) Honig geerntet habe. Dabei sind die Heideflächen in dieser Zeit nicht einmal weiter geschrumpft, sondern durch teilweise Entkusselung des Moores eher vermehrt worden. Das Versagen der Heide scheint ein ökologischer Vorgang, ähnlich dem des Waldsterbens, zu sein.

Statt dessen honigt in einzelnen Jahren die Birke. Ihr Honig ist aber für die Überwinterung der Völker eher noch unzuträglicher als Heidehonig oder vergleichsweise anderer Blatthonig.

Wenn ich den Stand anfahre, steht nicht selten ein Reh am hellichten Tag auf der angrenzenden Wiese. Manchmal ist es ein schwarzes, das sich auffällig vom grünen Untergrund abhebt, sobald es zum Moor hinüberwechselt aber förmlich mit den dunklen Farbtönen des Moores verschmilzt.

Es ist möglich, daß auf diesen Stand Erdströmungen einwirken. Ich will es auch nicht untersuchen, obwohl ich mit der Wünschelrute umgehen könnte. Was wollte ich dadurch auch ändern? Hier bringe ich gerne meine Zuchtvölker her, um sie auf Schwarm zu drücken, was mir auf anderen Ständen öfter nicht gelingt und ich gezwungen bin, die jeweilige Zuchtmutter zu entnehmen, damit das betreffende Volk wenigstens Nachschaffungszellen für seine nachfolgende Aufteilung ansetzt.

Im August, wenn auf den Freiflächen die Heide blüht, tragen die Völker deren brotteigfarbenen Pollen ein. Die Heide sorgt dafür, dass das Brutgeschäft in Gang bleibt. Die eingetragene Ernte noch im Rücken, stehen die Völker nichts aus. So ernte ich die Stände, die noch die Heide befliegen, gewöhnlich zuletzt ab, aber Heidehonig zu stöpseln gibt es dabei nicht.

Im August werden, wie schon im Juli aber auch noch im September und Oktober, vom Bienenvolk die langlebigen Winterbienen erzeugt. Im Juli und August versuchen viele Imker durch eine gezielte Reizfütterung, der so genannten Spätsommerpflege, ihre Völker zu starken Wintereinheiten hochzufüttern.

Dr. Wille hat durch eingehende Versuche an Bienenvölkern in der Schweiz widerlegt, dass die Winterstärke durch Fütterung grundsätzlich manipulierbar ist. Das Institut in Erlangen hat diese These durch Nachvollzug bestätigt.

„Zucker zaubert“, heißt ein Werbeslogan der Zuckerindustrie.

Eickmeyer stellt die Untersuchung Willes anhand eines Beispiels mit zwei hochgepflegten Bienenvölkern seines Vetters Benno in Frage. Zwei Dreiwabenableger, die mit Hilfe von je 25 kg Zucker sich zu starken Völkern entwickelten und den Katastrophenwinter 1984/85 mühelos überstanden, erwecken den Anschein, als käme es in erster Linie auf die richtige Pflege an. Aber so einfach ist die Erklärung der besagten Katastrophe, in der auch bestgepflegte Stände total eingingen, natürlich nicht.

Ein Problem setzt sich immer aus einem Grundfaktor und mehreren Nebenfaktoren zusammen.

Logisch ist, dass ein Bienenvolk in einem Notzustand nicht die nach seiner Veranlagung nötige Zahl langlebiger Winterbienen erzeugt. Weiter kann die Möglichkeit bestehen, dass sich andere Rassen oder Kreuzungen bezüglich der Futtermanipulierung anders verhalten könnten. Dieser Frage geht Wille, soviel ich weiß, inzwischen nach.

Weiter ist uns ja bekannt, daß grundsätzliche Unterschiede in der durchschnittlichen Winterstärke der verschiedenen Rassen bestehen.

Ein weiterer Faktor ist die Brutdauer im Zusammenhang mit der Nutzungsdauer. Wird z. B. eine Herkunft, die ihr Brutgeschäft relativ früh einzustellen oder zu reduzieren pflegt, noch einer bienenzehrenden Spättracht ausgesetzt, so wird ein großer Unterschied zwischen den Spättrachtvölkern und solchen, die bei gleicher Veranlagung frühzeitiger aufgefüttert werden bezüglich der Winterstärke entstehen. Das widerlegt aber keineswegs die genetische Grundlage des Wintervolkes sondern beweist eher unsere Gedankenlosigkeit, mit der wir Bienenvölker „verheizen“ und danach noch zusätzliche Kraftakte von ihnen erwarten.

Werfen wir einen vergleichenden Blick auf die hoch entwickelte Landwirtschaft, so haben die „Macher“ den Hektarertrag bis zur Umkippe hochgezaubert, und die Verantwortlichen wären heute froh, wenn sie dieses wenigstens teilweise rückgängig machen könnten. Aber das wird auch erst nach einer Katastrophe und wahrscheinlich erst nach mehreren Katastrophen möglich sein.

Aber gehen wir noch einmal der Ursache der großen Völkerverluste nach.

Tiefgreifend ist der Witterungsverlauf. Das wurde uns im Nassen Dreieck zwischen Elbe und Weser 1984 sehr deutlich.

Das Kleinklima des Standes und das zum Stand zählende Trachtangebot waren zwei weitere auffällige Faktoren.

Auch die Beute spielte eine Rolle. So hat es im Winter 1984/85 in Oberbayern bei den frei aufgestellten einfachwandigen Magazinen wesentlich höhere Verluste gegenüber den im Bienenhaus untergebrachten gegeben.

Nicht mehr wegzudenken auf meinen Außenständen: der Futterkanister, Transport- und Futtergerät in einem.

Die Strapaze einer Spättracht, der die eingesetzten Völker oft herkunftsmäßig (genetisch) nicht gewachsen sind, kann ganze Stände ruinieren. Dasselbe können im Wintersitz verbliebene Tauhonige bewirken, besonders bei Völkern bzw. Herkünften, die keinen festen Wintersitz einhalten. Die Katastrophe kann auch ausgelöst werden durch den Einsatz der Völker in einer versagenden Spättracht, in der die Völker ohne größere Vorräte am Hungertuch nagen.

Vieles kann man davon unter Pflege einordnen.

Aber doch sicher nicht die Fähigkeit eines festen Wintersitzes, und nicht die Härte, notfalls auch als kleinere Einheit einen Winter wie 1984/85 zu überstehen, nicht die Möglichkeit auch einmal dunklen Honig im Wintersitz zu verkraften und nicht den Vorzug, mit einem Minimum an Pflege und Aufwand stabile Völker zu erhalten und behalten.

Man kann vieles durch den Einsatz von Bienenmasse, Futtermitteln und Material erstellen. Aber ihr gedankenloser Einsatz bringt die so gehandhabten Bestände je länger desto dichter an die Umkippe und immer mehr werden schließlich zur vernichtenden Seite hin abrutschen und sind es schon.

Für mich besteht kein Zweifel, daß die Berücksichtigung der Genetik, also die Auslese, die falsche, die unterlassene, die richtige Auslese der entscheidende Faktor der Katastrophe oder ihrer Vermeidung ist. Dabei ist es für den einzelnen Imker natürlich schwer, seine eventuelle eigene Katastrophe oder sein eventuelles gutes Davonkommen unter dem richtigen Faktor einzuordnen, weil seine Beobachtungen oft auf wenige Völker und den eigenen Stand beschränkt sind. (*Anmerkung)

Auch der allenthalben empfohlenen starken Vermehrung von Jungvölkern im Sommer stehe ich sehr skeptisch gegenüber. Dafür ist heute gar nicht mehr die ökologische Grundlage vorhanden, und die Zahl der Imker wächst. Eine Überweidung ist ein zusätzlicher Streßfaktor für die Bienenvölker, der ihre Gesundheit untergraben und weitere Gefahren heraufbeschwören kann. Dafür gibt es viele Beispiele aus anderen Bereichen der Tierwelt mit erschreckenden Dezimierungen. Die Nachteile zu großer Stände sind uns ja bereits geläufig. Pflege ist ganz sicher positiv, aber entscheidend ist, was wir pflegen.

Wenn ich meinen Völkern im selben Zug mit der Aberntung das Winterfutter reiche, ist im Grunde bereits alle Vorsorge für die nächste Saison abgeschlossen und nichts mehr nachzuholen.

Anmerkung: Ist es denkbar, dass unsere heutigen Katastrophen, die wir einzig als Folge einer ungenügenden Varroabekämpfung sehen sollen (keinesfalls aber als Folge der immer unheimlicheren Gifte, die in der Landwirtschaft eingesetzt werden), vielleicht auch auf mangelnde Auslese zurückzuführen sind? Es ist eben nicht damit getan, Königinnen guter Abstammung zu kaufen und zu vermehren. Man muss auch unter diesen und ihrer Nachzucht auslesen!
Das bestätigte mir in diesem Jahr ein Imker, der auf seiner eigenen Belegstelle seine Buckfastköniginnen begatten lässt, als er erzählte, dass Käufer seiner Königinnen sich des öfteren beschwerten, dass etliche der gekauften Königinnen nicht überzeugten. Der Züchter dazu: „Du kannst davon ausgehen, dass ein Drittel richtig gut ist, ein Drittel sind brauchbar und ein Drittel ist einfach schlecht. Das ist so und kein ehrlicher Züchter wird etwas anderes behaupten.“

Zur Auslese sind auch die eigenen Prioritäten kritisch zu hinterfragen: Der Spruch: „Die Natur züchtet auf Überleben, wir aber müssen auf Leistung züchten!“ trifft auf die Biene so aus mehreren Gründen nicht zu:

Erstens ist das Überleben eines wild lebenden Bienenvolkes unmittelbar an seine Leistung, nämlich das Anlegen von Wintervorräten geknüpft. Diese Leistung schöpfen wir ab, indem wir Honig ernten. Es glaube niemand, ein wild lebendes Volk würde nur halbherzig sammeln oder das Sammeln einstellen, wenn es den Wintervorrat bereits im Juni zusammen hat. Es sammelt, bis es nichts mehr gibt.

Zweitens, und das hat Wolfgang Golz in diesem und im vorigen Monatstext deutlich genug aufgezeigt, ist die Vitalität, also die Fähigkeit des Biens, schwierige Zeiten problemlos zu überstehen, Grundlage der Leistung. Die Erfahrung zeigt: Ein Volk, das vital und robust ist, also aus eigener Kraft gesund und stark ist und bleibt, stark auswintert, nicht bereits im tiefen Winter sich durch einen Wärmeeinbruch zum Brüten verleiten lässt und nicht schwärmt, bringt ganz selbstverständlich auch Honig.

Also müssen unser Zuchtbestreben und unsere Prioritätensetzung in der Zucht im wesentlichen mit denen der Natur übereinstimmen, wenn wir nicht eines Tages Schiffbruch erleiden wollen. Selbst das Zuchtziel Schwarmträgheit stimmt mit dem Züchten der Natur überein, denn aus eigener Kraft würden Schwärme und stark abgeschwärmte Völker den folgenden Winter bei uns in der Regel nicht überstehen. Einzig die Eigenschaften der Umgänglichkeit (Sanftmut und Wabenstetigkeit) und der Volksstärke (Legeleistung der Königin und Langlebigkeit der Arbeiterinnen) stellen Zuchtziele dar, die vom Menschen neu an die Biene herangetragen werden. Solange diese nicht zu Lasten der Vitalität verfolgt werden, ist dagegen nichts einzuwenden.

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